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Vermittler zwischen Kulturen und Nationalitäten
Man könnte sich kaum einen besseren Studenten wünschen, um das Motto „Zusammen die Welt neu denken“ zu verkörpern, als Akram Elborashi. Als ägyptischer Medizinstudent mit zeitweise rekordverdächtigen VIER Stellen an der Universität zeigt er, wie eine Person das Leben für ausländische Studierende in ganz Magdeburg positiv beeinflussen kann. Ich treffe Akram an einer seiner ehemaligen Arbeitsplätze, der Medizinischen Bibliothek. Die Angestellten an der Theke grüßen ihn und er lässt sich einen Schlüssel für einen Raum geben, damit wir uns ungestört unterhalten können. Selbst ein karger Lernraum wirkt wie ein fröhlicher Ort durch Akrams positive Ausstrahlung - kein Wunder, dass so viele ausländische Studierende auf seine Unterstützung vertrauen.
Seit dem Wintersemester 2015/16 ist er an der Uni Magdeburg eingeschrieben, doch bis zu diesem Punkt musste er schon hart für sein Studium kämpfen. Nach seinem Abitur in Ägypten begann er in seinem Heimatland Medizin zu studieren, doch er merkte schon bald, dass ihn das sehr theoretische Studium nicht zufrieden stellen wird. „Ich brauche einfach den Umgang mit Menschen“, gesteht Akram lachend. Und den hat er seit er in Magdeburg studiert auf jeden Fall genug! Denn alle seiner bisherigen Jobs an der Universität waren im direkten Kontakt zu Menschen, mit dem Ziel zu helfen und zu unterstützen.
Neben seiner Tätigkeit in der medizinischen Bibliothek arbeitete er als Erstsemestertutor an der Universität in Kooperation mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst e.V. (DAAD). In diesen Funktionen war er oft der erste Ansprechpartner für internationale Studierende in Magdeburg und unterstützte sie nicht nur beim Studienbeginn, sondern auch beim Einleben in ihrer neuen Umgebung. Aber damit nicht genug - auch außerhalb seiner akademischen und beruflichen Laufbahn setzt sich Akram Elborashi ehrenamtlich und privat ständig für die internationale Gemeinschaft in Magdeburg ein.
Zum Beispiel engagiert er sich auch in der muslimischen Gemeinde am Katharinenturm, wo er bei der Organisation des Freitagsgebets hilft. Außerdem unterstützt er unter anderem neuangekommene syrische Familien durch Beratung, Übersetzung und Behördengänge. Aber selbst wenn er nicht offiziell als Vermittler zwischen Kulturen und Nationalitäten fungiert, selbst wenn er einfach nur Akram ist - wenn jemand frisch in Magdeburg ankommt und Hilfe braucht, dann stehen die Chancen gut, dass irgendjemand ihm rät: „Der Akram ist seit ein paar Jahren hier, den kannst du mal fragen“.
Bei den vielen Aufgaben und freiwilligen Hilfeleistungen fällt es schwer zu glauben, dass die gleiche Person auch noch sehr erfolgreicher Medizinstudent ist. Aber es ist die Wahrheit, denn zum Zeitpunkt des Gesprächs zeigt der junge Mann sich sehr zuversichtlich was das Ergebnis seines zweiten Staatsexamens angeht, selbst wenn die Ergebnisse noch nicht da sind. Er hat allen Grund zuversichtlich zu sein, denn neben seinem außerordentlichen sozialen Engagement waren es seine Studienleistungen, die dazu führten, dass er 2021 das Otto-von-Guericke-Stipendium erhielt. Das Stipendium, das mit 6.000 Euro dotiert ist war eine große Hilfe in der Vorbereitungszeit für das zweite Staatsexamen.
Der ehemalige Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper, Akram Elsayed Abdellatif Elborashi und Prof. Dr. Helmut Weiß, Prorektor für Planung und Haushalt der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg bei der Urkundenübergabe. (Foto: Landeshauptstadt Magdeburg)
„Durch das Stipendium war es mir möglich in der intensivsten Lernphase weniger zu arbeiten, das war eine riesige Erleichterung“, berichtet er ernst. Denn für so ein Staatsexamen reicht es sicherlich nicht eine Woche vorher mit dem Lernen anzufangen. „Ich habe einen 100-Tage-Lernplan gemacht, ein Drittel eines Jahres komplett durchstrukturiert“, erzählt der angehende Arzt, und der Schatten der Erinnerung verdunkelt sein sonst so freundliches Gesicht. Denn neben lernen und arbeiten gab es noch andere Verpflichtungen, wenn auch von der schönen Sorte.
2021 bekamen seine Frau und er Familiennachwuchs - eine kleine Tochter. „Ohne meine Frau hätte ich das alles niemals geschafft“, erklärt Akram und das ist alles andere als eine leere Redewendung. Die studierte Tierärztin hat ihm durch ihre Flexibilität den 100-Tage-Lernplan ermöglicht. Auch Akrams Familie ist im medizinischen Bereich tätig, allerdings sind „die alle Apotheker“, also seine Eltern wie auch seine Geschwister. Ihn hat immer mehr die Krankheit interessiert als die Medikamente. Durch die Diabetes mellitus Erkrankung seiner Mutter ist er schon früh für das Thema sensibilisiert worden.
Spezialisiert hat er sich im Studium auf Augenheilkunde. Auf die Frage, warum denn grade Augenheilkunde, antwortete er „Ich hatte schon als kleines Kind eine Brille. Als ich beim Arzt war, da wollte ich immer auf der anderen Seite sein, die Maschinen selber benutzen und die Tests durchführen.“ Diesen Traum hat er sich heute verwirklicht, im Studium hat er bereits seine Famulatur, also sein medizinisches Praktikum, in einer Augenarztpraxis absolviert und jetzt, nach dem zweiten Staatsexamen, wird er in einem der drei Tertiale für vier Monate erneut in seinem Wunschgebiet arbeiten.
Bei all diesen Verpflichtungen und Aktivitäten fällt es einem schwer sich diesen Menschen in der Freizeit vorzustellen. Statt ihn also zu fragen, was er in seiner Freizeit macht, frage ich ihn, ob er denn überhaupt sowas wie Freizeit hat. „Nicht wirklich“, erwidert er lachend, „aber wenn, dann spiele ich gerne Schach.“ Schon als Jugendlicher in Ägypten fing er an und setzt seine Faszination nun, wenn er denn mal Zeit hat, fort. Nicht ohne Stolz erzählt er mir von seinem letzten Turnier, in welchem er ein DWZ von ungefähr 2000 erzielte. Was genau das bedeutet weiß ich nicht, aber ich war sehr beeindruckt. Nicht nur von seinen Schachfertigkeiten, sondern von Akram als Mensch.
Und was bedeutet „Zusammen die Welt neu Denken“ für ihn? „Für mich bedeutet es, dass die Welt aus verschiedenen Kulturen und Identitäten besteht. Konflikte entstehen erst durch Distanz. Wenn man näher zueinanderkommt, die Probleme besser kommuniziert und die Gemeinsamkeiten mehr zelebriert, dann kann man die Konflikte vielleicht von Anfang an vermeiden.“